Aufgenommen 1932 von Rahel (Rosi) Posner in ihrer Wohnung im Sophienblatt 60 (heute dort ein Bürogebäude) in Kiel: Ihr Chanukkah-Leuchter mit der Nazifahne im Hintergrund.
Laut GSHG war es das Veranstaltungshaus „Tonhalle“ (Sophienblatt 35) mit der NSDAP-Kreisleitung, die später in der Gartenstraße, Ecke Blumenstraße lag.
„An Chanukkah 1932, kurz vor den Wahlen, die Hitler an die Macht brachten, fotografierte Rahel, die Frau des Rabbiners Dr. Akiba Posner, den Chanukkah-Leuchter der Familie vor dem Hintergrund des gegenüberliegenden Gebäudes, das mit Nazifahnen geschmückt war.
Auf die Rückseite des Fotos schrieb Rahel Posner:
Chanukkah 5692 (1932)
„Juda verrecke“
Die Fahne spricht –
„Juda lebt ewig“
Erwidert das Licht.“Rabbiner Dr. Akiva Posner war Inhaber eines Doktortitels der Philosophie, den er an der Universität Halle-Wittenberg erworben hatte, und diente in den Jahren 1924 bis 1933 als letzter Rabbiner der jüdischen Gemeinde Kiel.
Quelle und Bilder: Der Chanukkah-Leuchter der Kieler Familie Posner | Durch das Objektiv der Zeit – Kleine Ausstellungen aus den Yad Vashem Sammlungen
Ein offener Brief des Rabbiners in den Lokalzeitungen, der gegen die ersten Plakate in der Stadt mit der Aufschrift „Juden haben keinen Zutritt“ protestierte, führte dazu, dass er sich zu einem öffentlichen Streitgespräch mit dem Vorsitzenden der Ortsgruppe der NSDAP einfinden musste. Es fand unter schwerem Polizeischutz statt und wurde am folgenden Tag durch die lokale Presse veröffentlicht.
Als Spannungen und Gewalt in der Stadt zunahmen, fügte sich der Rabbiner dem Drängen seiner Gemeinde, mit Rahel und den drei Kindern nach Eretz Israel zu flüchten. Doch ehe er die Stadt verließ, überzeugte er die Mitglieder der Gemeinde, ebenfalls das Land zu verlassen, und die meisten flohen in die Vereinigten Staaten und in das Britische Mandatsgebiet Palästina. “

Rabbiner Dr. Akiva (Arthur) Posner, seine Frau Rahel und seine drei Kinder bei der Abfahrt vom Kieler Bahnhof Juni 1933: (v.r.n.l.) Avraham Chaim, Tova und Shulamit
Seit 1924 leitete Dr. Akiva (Arthur) Posner (auch Akiba Baruch Pozner geschrieben) als Gemeinderabbiner die Kieler jüdische Gemeinde. Im Sommer 1933 emigrierte Dr. Posner mit seiner Familie nach Belgien, von dort nach Palästina.
Dr. Posner wurde eine rabbinische Position im Britischen Mandatsgebiet Palästina angeboten, aber er lehnte die Position mit der Begründung ab, dass seine Gemeinde in Kiel (1933: 622 Mitglieder) zurückgelassen worden sei.
Er ließ sich in der Nähe von Haifa nieder und wurde Bibliothekar. Er und seine Frau Rahel (Rosi, auch Rachel geschrieben, geb. Wirtzburg) hatten drei Kinder und neun Enkel.
In seiner Zeit in Kiel versuchte er, die beiden „Fraktionen“ der Kieler jüdische Gemeinde – die alteingesessenen Juden, mehrheitlich der sozialen Mittelschicht angehörten, und die nach dem Ersten Weltkrieg nach Kiel kommenden „Ostjuden“ – zusammenzuführen, indem er insbesondere auf die religiöse Bildung der Jugendlichen setzte.
→ Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde im deutschen Sprachraum – Kiel (Schleswig-Holstein)
→ From Nazi Germany to Beit Shemesh, a Family Menorah Continues to Glow |Breaking Israel News
→ Deutschlandradio: AUS DER JÜDISCHEN WELT | Beitrag vom 03.12.2010 – Chanukka Über das Fest der Wunder Von Evelyn Bartolmai
In Kiel initiierte Rabbiner Dr. Posner auch eine „Ausstellung des jüdischen Buches“ im Jahr 1930:
„Um nun ganz konkret dem jüdischen Menschen dieser Zeit das jüdische Buch und damit auch jüdische Inhalte nahezubringen, wurden im Jahre 1930 verschiedene Buchausstellungen veranstaltet131. Gedacht zur (Selbst-)Präsentation der kulturellen Leistung der Juden konnte solch eine Buchausstellung „in unseren jüdischen Menschen ein jüdisches Wertbewußtsein“132 schaffen und war gleichzeitig eine mögliche Maßnahme zur Abwehr des Antisemitismus sowie zur eigenen Identitätsbestätigung und (- Selbst-)Wertsteigerung133 . Kriterien zur Auswahl der ausgestellten Bücher waren zum einen eine umfassende parteiliche Vielfalt, schöne Literatur, „soweit sie jüdischen Inhaltes ist“134, Bücher über „Judentum und Judenheit“135 sowie „das Buch v o n Juden“136, denn „sind sie nicht jüdisch geformt und formen sie die Welt nicht aus ihrer Jüdischkeit heraus?“137
Quelle; Claudia S. Mohr, Die Kultur- und Literaturdebatte der jüdischen Periodika 1933-1938 im nationalsozialistischen Deutschland (Dissertation), Münster 2000, S. 110
….
131 Dr. Posner: Eine „Ausstellung des jüdischen Buches“, in: IFB, Nr. 10, 6.3.1930; Bayer, Issi: Jüdische Buchausstellungen. (Eine usstellung und ihre Lehren), in: IFB, Nr. 52, 24.12.1930: „Es ist aber ein Irrtum, zu meinen, wir müßten nur die nichtjüdische Umwelt aufklären. Mindestens so groß ist diese Aufgabe innerhalb der Judenheit.“ Weitere Einzelheiten zu diesen Buchausstellungen siehe unten in diesem im Kapitel.
132 Bayer, Issi: Jüdische Buchausstellungen. (Eine Ausstellung und ihre Lehren), in: IFB, Nr. 52, 24.12.1930.
133 „Und es ist allein schon eine Aufgabe, der jüdischen wie der nichtjüdischen Oeffentlichkeit zuzurufen: seht her, diese Geister und Herzen, sie sind jüdischen Quellen entsprungen; wir brauchen uns nicht zu verstecken, wenn die Völker oder Kulturgemeinschaften ihre Heroen präsentieren, wir stehen nicht zurück, wir können uns ’sehen lassen‘.“, Bayer, Issi: Jüdische Buchausstellungen. (Eine Ausstellung und ihre Lehren), in: IFB, Nr. 52, 24.12.1930.
134 Dr. Posner: Eine „Ausstellung des jüdischen Buches“, in: IFB, Nr. 10, 6.3.1930.
135 Bayer, Issi: Jüdische Buchausstellungen. (Eine Ausstellung und ihre Lehren), in: IFB, Nr. 52, 24.12.1930.
136 Genannt werden hier z.B.: „Martin Buber, Stefan Zweig, Arnold Zweig, Jakob Wassermann, Lion Feuchtwanger u.a.“, Bayer, Issi: Jüdische Buchausstellungen. (Eine Ausstellung und ihre Lehren), in: IFB, Nr. 52, 24.12.1930.
137 Bayer, Issi: Jüdische Buchausstellungen. (Eine Ausstellung und ihre Lehren), in: IFB, Nr. 52, 24.12.1930.„
„Im März 1930 berichtete der Kieler Rabbiner Dr. Posner im Israelitischen Familienblatt von einer von ihm initiierten „Ausstellung des jüdischen Buches“215. Als Sinn und Zweck seiner Initiative bezeichnete er es, daß das „jüdische Buch in das jüdische Haus“ gehöre, daß – und hier wird ein Argument genannt, welches nach der ‚Machtergreifung‘ erst die
eigentliche grausame Konnotation erlangte – es eine Hilfe in einer bedrängten und schwierigen Zeit sei216. Seine Bemühungen wertete er als Erfolg, denn ca. 220 Besucher, das war ungefähr ein Drittel der jüdischen Bevölkerung Kiels, konnte die Veranstaltung verzeichnen und von 600 ausgestellten Büchern wurden 250 verkauft – Fazit: „[…] wir [können] noch stolz uns zum ‚Volke des Buches‘ bekennen“217.215 Dr. Posner: Eine „Ausstellung des jüdischen Buches“, in: IFB, Nr. 10, 6.3.1930. Es gab auch schon früher immer wieder solche Initiativen, vgl. Levy: Eine Ausstellung „Das jüdische Buch“, in: C.V.-Zeitung, Nr. 1, 2.1.1925, S. 10.
Quelle: Claudia S. Mohr, Die Kultur- und Literaturdebatte der jüdischen Periodika 1933-1938 im nationalsozialistischen Deutschland (Dissertation), Münster 2000, S. 125 f.
216 Dr. Posner: Eine „Ausstellung des jüdischen Buches“, in: IFB, Nr. 10, 6.3.1930: „[…] ließ ich meine Eröffnungsansprache in den alten jüdischen Gedanken ausklingen, daß der Geist den Körper besiegen müsse, daß die Kenntnis des jüdischen Buches die Sorge der jüdischen Person der Gegenwart, sei es in Wirtschaft oder in Religionshaß, überwinden helfen könne.“
217 Dr. Posner: Eine „Ausstellung des jüdischen Buches“, in: IFB, Nr. 10, 6.3.1930.

Nach dem Ersten Weltkrieg wanderten orthodoxe Juden aus Osteuropa zu. In Kiel ließen sich vor allem im Gängeviertel nieder und verdienten ihren Lebensunterhalt vornehmlich als Hausierer und Kleinhändler.
Die Synagoge Goethestraße in Kiel existierte von 1909 bis 1938, Architekt Johann Theede,
Rabbiner Dr. Posner regte zwischen 1951 und 1962 in einem Brief die Stadt Kiel an, eine Gedenktafel für die ehemalige Synagoge anzubringen.
Erst sechs Jahre nach seinem Tod wurde im Jahr 1968 an der Fassade eines dort in den 1960er Jahren errichteten Wohnhauses eine bronzene Tafel angebracht.
1989 wurde dann an der Goethestraße/Ecke Humboldtstraße ein Mahnmal errichtet, das von der Hamburger Bildhauerin Doris Waschk-Balz gestaltet wurde. Diese integrierte die ältere Gedenktafel in ihr Werk.
Jeweils am 9. November bzw. an den Jahrestagen der Einweihung der Synagoge veranstaltet die Kieler Bürgerschaft hier unregelmäßig Gedenkfeiern.

Akten der Stadtverwaltung – Neues Archiv ab 1945
Oberbürgermeister und Dezernenten
Oberbürgermeister
Stadtplanung, Wiederaufbau, Wohnungsbau, Gebietsreform, Wirtschaft
79360 Schriftwechsel mit dem Baudezernat:
Bauverwaltungsamt, Stadtbauamt, Stadtplanung,
Stadtbaurat, Tiefbauamt und betreffend
Rathausgestaltung enthält: u. a. Einsprüche;
Ideenwettbewerb Altstadt-Schlossgarten 1965,
Gedenktafel für die ehemalige Synagoge:
Anregung von Rabbi Posner; Rathaus: Fenster im
Aufgang, Gedenkstätte, Ratskeller
Provenienz: Sekretariat Oberbürgermeister1951 – 1967 Quelle: Online-Katalog Stadtarchiv Kiel
Kurzbiographie und Bestandsliste des Zentralarchivs für die Geschichte des jüdischen Volkes Jerusalem (CAHJP):
Quelle: The Central Archives for the History of the Jewish People Jerusalem (CAHJP)
he Central Archives for the History of the Jewish People Jerusalem (CAHJP) SAMMLUNG RABBINER DR. AKIVA POSNER – P 40
→ Der Novemberpogrom in Schleswig-Holstein
→ Meyer Isaac Schiff, ein Advokat in Kiel (* 1. August 1783 oder 1784 in Altona (Holstein); † 9. Juli 1847 in Kiel), dem ersten jüdischen Juristen, der 1802 eine Zulassung in Holstein erhielt.
Kieler Erinnerungstage:
→ 2. Januar 1910 Einweihung der Synagoge in der Goethestraße
→ 15. Februar 1933 Verbot der in Kiel erscheinenden Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung
→ 11. März 1933 Die Nationalsozialisten bringen das Kieler Rathaus unter ihre Herrschaft
→ 12. März 1933 Nationalsozialisten ermorden den jüdischen Rechtsanwalt Wilhelm Spiegel
→ 9. November 1938 Novemberpogrom in Kiel
→ 26. April 1945 Vor 60 Jahren – systematische Erschießungen im Arbeitserziehungslager Nordmark
Zum Beitrag
Kiel 1932 – Menorah leuchtet weiter
An Chanukkah 1932, kurz vor den Wahlen, die Hitler an die Macht brachten, fotografierte Rahel, die Frau des Rabbiners Dr. Akiba Posner, den Chanukkah-Leuchter der Familie vor dem Hintergrund des gegenüberliegenden Gebäudes, das mit Nazifahnen geschmückt war.
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